Mein liebes Tagebuch

Mein liebes Tagebuch

2019-08-18

Rekord! Rund 390.000 stimmten für die E-Petition zum Rx-Versandverbot des Pharmaziestudenten Bühler – und die ABDA schweigt. Hat es ihr die Stimme verschlagen? Oder genießt sie einfach im Stillen ihr neues Domizil, das sie bisher noch von Presse und Öffentlichkeit fernhält. Haus-Scham wg. 35. Mio.? Freuen wir uns lieber auf den Apotag mit vielen Anträgen zur Apothekenreform, das wird (nicht) lustig! Die ABDA setzt bei der Reform derzeit alles auf eine Karte und glaubt daran, dass das Apotheken-Stärkungsgesetz rechtssicher ist. Mit dem Glauben ist das halt so eine Sache. 

12. August 2019

Auch wenn es in den vergangenen Tagen noch ungewiss war, ob Pharmaziestudent Benedikt Bühler die mindestens 50.000 Stimmen für seine E-Petition zum Rx-Versandverbot erreichen würde – jetzt strahlt er: Mit den vor Ort eingesammelten Unterschriften erreichte seine Petition knapp 390.000 Unterschriften. Das ist ein Rekord, mein liebes Tagebuch, Gratulation an den unermüdlichen Kämpfer fürs Rx-Versandverbot! Diese Petition mit dem Anliegen, das Rx-Versandverbot einzuführen, ist die erfolgreichste Online-Petition, die jemals im Bundestag eingereicht wurde. Wer hätte das gedacht! Und eigentlich sind es mehr als 600.000 Stimmen, zählt man all diejenigen noch mit, die leider als ungültig zählen, weil die Adressangabe oder der Nachname fehlte. Bühler hat bereits einen Teil der Unterschriften an Thomas Müller, zuständig für die Abteilung Arzneimittel im BMG, übergeben. Der Pharmaziestudent kann nun die Gelegenheit erhalten, sein Anliegen vor dem Petitionsausschuss des Bundestages vorzutragen, wenn die Ausschussmitglieder mehrheitlich nicht dagegen stimmen. Und wie geht’s weiter mein liebes Tagebuch? Der Ausschuss kann das Anliegen beraten und eine Empfehlung an die Bundesregierung abgeben – die sie aber nicht umsetzen muss. Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums ließ verlauten: „Grundsätzlich nehmen wir jede Petition ernst.“ Na, wie fein. Aber das BMG hat auch  gegenüber DAZ.online durchblicken lassen, dass die Petition, wenn überhaupt, in begrenztem Ausmaß bei politischen Entscheidungen berücksichtigt wird. Ein Sprecher verwies auf das Apotheken-Stärkungsgesetz, in dem kein Rx-Versandverbot enthalten ist, sondern ein geplantes Rx-Boni-Verbot für den GKV-Bereich. Will wohl heißen, dass sich da nichts mehr tut. Aber, mein liebes Tagebuch, die Petition, der Wille, der dahintersteht,  der Kampf pro Rx-Versandverbot bis zuletzt – das sind Zeichen, die dem Pharmaziestudenten Bühler zuzurechnen sind und nicht der ABDA. Denn die hat sich zur Petition noch gar nicht geäußert – aus dem Apothekerhaus tönt nur lautes Schweigen. 

Auch diese Woche dabei: Thema Lieferengpässe. Und es nimmt endlich Fahrt auf, auch ohne Zutun der ABDA: Fast täglich greifen es zahlreiche lokale und überregionale Medien auf, auch die Nachrichtensendung „ZDF heute“. Das ZDF-Team sprach mit Lutz Engelen, Kammerpräsident von Nordrhein, der die Schwierigkeiten durch Lieferengpässe aus Sicht einer Landapotheke schildert. Und es kam SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach zu Wort, der mit deutlichen Worten die Pharmaindustrie attackiert, aber keine Lösungsvorschläge vorstellt. Im Gegensatz zum Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller, der darauf hinweist, dass es hilfreich wäre, wenn Hersteller wieder mehr Wirkstoffe in Europa statt in Schwellenländern produzieren würden: „Damit dies für Unternehmen wirtschaftlich abbildbar ist, bedarf es Anstrengungen der Politik, dies zu fördern.“ Mein liebes Tagebuch, wie wahr! 

Endlich, endlich, mein liebes Tagebuch, wie sind wir doch froh! Unsere ABDA hat endlich wieder ein ihr standesgemäßes Zuhause, in dem sie residieren und tolle Ideen entwickeln kann. Oder sie genießt einfach ihren wunderwunderschönen Neubau in der Berliner Heidestraße 7 in vollen Zügen. Ups, mein liebes Tagebuch, hoffentlich war die Nennung der Adresse kein Fauxpas, denn irgendwie steht das beklemmende Gefühl im Raum, unsere ABDA möchte ihr neues Häuschen noch gar nicht so recht vorzeigen. Den Begriff Flugscham kennen wir schon – hat die ABDA vielleicht Hausscham? Rund 35 Mio. Euro soll der Neubau gekostet haben, möglicherweise auch mehr, Genaues erfährt man nicht. Mein liebes Tagebuch, seit etwa Mitte Juni sitzt die ABDA-Mann-und Frauschaft in ihren neuen Räumen, und nach außen sind so gut wie keine Fotos gedrungen, wie’s denn innendrin aussieht, also im Haus. Für die meisten Fotos, die DAZ.online vom Gebäude, den Sitzungsräumen und dem Foyer gemacht hatte, wurde die Freigabe verweigert! Für die Fachpresse gab es bis jetzt erst einen Termin im Haus – zum Apotheken-Stärkungsgesetz, nicht zum Thema Haus. Und ob die ABDA auf die Idee kommt, einen Tag der offenen Tür zu veranstalten, wie es ihn sogar Behörden und Ministerien für ihre Gebäude veranstalten, ist fraglich. Bisher war davon noch nichts zu hören. Noch beim Richtfest des Neubaus vor gut einem Jahr sprachen ABDA-Vertreter von „Begegnungsflächen“ für einen „ebenso traditionsbewussten wie modernen Verband, der sich nach außen öffnet“. Ja, sag mal, mein liebes Tagebuch, haben wir da was falsch verstanden? Sympathie, Offenheit, Transparenz – irgendwie will es mir nicht gelingen, diese Begriffe mit unserer ABDA und ihren Umgang mit dem Neubau zusammenzubringen. Na ja, muss vielleicht auch nicht sein. Der Neubau ist angeblich auch nur für die kommenden 30 Jahre gebaut, sagt René Schweyen, der ABDA-Stabsstellenleiter für die Finanzen. Ach so, mein liebes Tagebuch, wir dachten eigentlich, dass die Bestandszeiten für die ABDA-Domizile endlich mal ein bisschen länger sind. Aber wer weiß, ob es dann die ABDA in dieser Form und Struktur überhaupt noch gibt.

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